Finanzmärkte und Rezession – Besteht überhaupt ein Zusammenhang? Sind die speziell die Aktienmärkte ein guter Indikator für eine Rezessionen? Ein „Ja“ auf diese Frage könnte oberflächlich betrachtet tautologisch erscheinen, aber so einfach ist es wiederum auch nicht. Eine Rezession ist ja formal gesehen ein Rückgang der Wirtschaftstätigkeit und nicht der Aktienkurse. In diesem Artikel werfen wir einen Blick zurück.
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Finanzmärkte ein guter Indikator für eine Rezession?
Ist es möglich eine Umgebung mit niedrigen Aktienkursen und hohen Zuwächsen bei Realeinkommen und industrieller Produktion zu haben?
Dies wäre natürlich unmöglich wenn ein großer Teil der Bevölkerung auf Einnahmen aus dem günstigen Aktienkauf angewiesen wäre, was aber speziell im deutschsprachigen Raum nicht der Fall ist. Hier sind es Löhne und Gehälter welche für die meisten Menschen den Großteil ihrer persönlichen Einkommen ausmachen, wodurch ein Bärenmarkt auch auf deren Lebenssituation wenig Einfluss haben dürfte.
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Finanzmärkte und Rezession – Der historische Rückblick
Die historischen Daten sind nicht schwer zu interpretieren. Das schwache Wachstums der Wirtschaftsleistung in den letzten Jahren hatte offensichtlich nur eine geringe Korrelation zur starken Bewegung bekannter Aktienindizes wie den Dax oder den Dow Jones. Dies gilt in der Regel auch für den umgekehrten Fall, wo Aktienmärkte einbrechen aber dies auf die Wirtschaftsleistung wenig Einfluss hat. Zum einen gab es historisch häufiger Bärenmärkte als Rezessionen. In der Nachkriegszeit gab es zum Beispiel fast doppelt so viele nachhaltige Aktieneinbrüche als Situationen in denen sich die Wirtschaft negativ entwickelte. Durch das Fehlen dieses Gleichlaufs, sind also automatische Rückschlüsse nicht ganz unproblematisch.
Aus dem gleichen Grund können beispielsweise auch Vollmonde nicht verwendet werden um Tsunamis vorherzusehen.
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Finanzmärkte und Rezession – Auf den Zinsmarkt achten
Natürlich je länger ein Bärenmarkt andauert, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Aktienpreise eine echte Korrektur durchlaufen und nicht nur eine flüchtige Gegenbewegung. Während wir gerade dabei sind; generell gilt, dass je länger ein Bärenmarkt andauert, desto größer die Chance ist, dass die Aktienkurse davor zu hoch gestiegen sind und es zu einer Blasenbildung kam.
Wenn Sie aber einen legitimen Vorläufer für eine Rezession suchen, dann ist das Niveau des Dow oder Dax aber keine Konkurrenz für die Zinskurve am Anleihenmarkt.
Bei einer invertierten Zinskurve, also wenn kurzfristige Anleihen höhere Renditen abwerfen als langfristige, ist höchste Vorsicht geboten. Denn invertierte Zinskurve kommen genau so selten vor wie Rezessionen und sind daher wesentlich aussagekräftiger als die großen Aktienindizes mit ihren oftmals erratischen Kursbewegungen.
In einem normalen Zinsumfeld (also nicht dem derzeitigen) ist diese Inversion der Zinskurve auf die Aktivitäten der Notenbanken zurückzuführen. Oftmals steigen sie bei gutem Wirtschaftswachstum und sich abzeichnenden Inflationsdruck auf die geldpolitische Bremse indem sie die kurzfristigen Zinssätze erhöhen. Dies führt dann zu einem Eintrüben der Zukunftsaussichten, was wiederum geringere Investionsbereitschaft, Beschäftigung und Ausgaben bei den Wirtschaftstreibenden auslöst. In letzter Instanz kommt es in Folge dieser Erwartungshaltung dann zu einem bereinigenden Gewitter in der Wirtschaft, in Form zumeist kurzlebiger Rezessionen, was wiederum in Erwartungen sinkender Zinsen resultiert. Wie man anhand dieser einfachen Erklärung sieht, dominiert die Psychologie das Wirtschafts- und Finanztreiben wesentlich stärker als es die meisten Menschen wahrhaben wollen.
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Finanzmärkte und Rezession – Historisch einmaliges Umfeld
Nun leben wir aber derzeit nicht in einem normalen Wirtschafts- und Zinsumfeld. Zu stark haben die globalen Notenbanken in Folge der großen Wirtschaftskrise von 2008 in das Wirtschaftsgeschehen eingegriffen und durch niedrige,teilweise sogar negative, Zinsen, die konventionellen Theorien auf den Kopf gestellt. Seit damals sehen wir nämlich sogar teilweise negative Korrelationen zwischen den ökonomischen Daten und den Aktienkursen an den Weltbörsen. Warum ist die so?
Die mächtigen Notenbanken wie die Fed, die EZB oder die japanische Notenbank haben begonnen immer mehr unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen zu treffen. War ein kurzfristiges Zinsniveau von 0% für viele Jahrhunderte undenkbar, befinden wir uns in vielen Regionen bereits im negativen Bereich.
Global gesehen gibt es schon Anleihen im Wert von 10 Billionen Dollar welche eine negative Verzinsung aufweisen. Das heißt nichts anderes, als dass der Schuldner weniger Geld zurückzahlen muss, als er sich zuvor ausgeliehen hat!
Für eine zukünftige Rezession stehen damit den Notenbanken nur mehr wenige Maßnahmen zur Verfügung stehen. Eine der derzeit in Finanzkreisen diskutierten Maßnahmen, wäre der direkte Kauf von Aktien. Obwohl dies weit hergeholt scheint, hat die Europäische Zentral Bank bereits einen kleinen Schritt in diese Richtung getan, in dem sie mit dem Kauf von Unternehmensanleihen begonnen hat.
In China ist man diesbezüglich bereits sogar noch „weiter“. Dort hat man gar aktiv damit begonnen die Aktien großer Unternehmen aufzukaufen. Natürlich stellt sich im Reich der Mitte die Situation zwar ein wenig anders dar, da dort die meisten Unternehmen sowieso im unmittelbaren Einflussbereich des Staates stehen und nur ein kleiner Teil der Aktien auch von Privatanlegern gehalten werden.
Dennoch erscheint es nicht nur für Verschwörungstheoretiker nicht unwahrscheinlich dass wir schon bald ähnliche Schritte in Deutschland sehen könnten. Also eine Situation wo die EZB zu einem nicht unwichtigen Aktionär der Deutsche Bank oder von Daimler wäre.
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Finanzmärkte und Rezession – Zusammenfassend
Obwohl die Börse über Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte, nichts anderes als eine Stimmungsbarometer für die Gesundheit der Wirtschaft und auch von einzelnen Unternehmen war, hat sich dies in den letzten Jahren dramatisch geändert.
Der zunehmende politische Einfluss auf die globalen Märkte über den Umweg der Technokraten bei den Zentralbanken, hat viele alte Weisheiten auf den Kopf gestellt.
Dennoch scheint ein alter Börsenspruch nach wie vor seine Gültigkeit zu haben:
Die Aktienmärkte prophezeien im Schnitt 5 der kommenden 4 Rezessionen!
In anderen Worten also; die Prognosekraft der Aktienmärkte ist in Hinblick auf die Wirtschaftsleistung nur bedingt zu vertrauen und sollte speziell in Deutschland daher wenig Beachtung in Hinblick auf mögliche Rezessionen geschenkt werden.